Logo

Nachrichten

Menü öffnen

Fasten – ein Erfahrungsbericht
verfasst von Katja Buchwald

Das erste Mal ist immer besonders. Besonders spannend, aufregend, mit Ängsten und vielen Fragen behaftet. Wie gut in einem Kreis anzukommen, der aus Menschen besteht, die sich bestens mit dem Hungern auskennen. Einem Hungern, das nicht durch Katastrophen, Krieg oder schlichtem Mangel ausgelöst wird. Sondern einem Hungern, das man aus freien Stücken wählt.

Es kann eine Art Selbstexperiment sein, ein religiöser Vorsatz, ein gesundheitlicher Aspekt. Jeder Mensch in dieser Gruppe hat seine eigenen Beweggründe. Und die Frauen (viele) und Männer (wenige) im TV Nierstein-Fastenkreis berichten davon. Alle erzählen von sich, ihren Plänen und Gründen. Viele, dazu gehöre ich auch, haben Corona-Kilos auf den Hüften und wollen sie wieder loswerden. Aber hier sitzen auch die ‚alten‘ Fastenspezialisten, die das seit Jahrzehnten praktizieren. Die von der heilsamen Wirkung berichten, die sich genau auskennen.

Ich fühle mich gut aufgehoben, warm begrüßt und freue mich auf die sieben geplanten Fastentage. Anfangs habe ich gleichmal ein paar dicke „Fehler“ gemacht, bin nicht so gut eingestiegen. Aber der Wille ist wichtig und die allabendlichen Treffen auch. Da kann man sich austauschen. Und es gibt jeden Abend ein Event, mal ist es eine Meditation, mal eine Traumreise, ein gemeinsamer Sauna-Besuch oder ein langer Spaziergang durch die Weinberge.

Und, oh Wunder, es gelingt. All meine Sorgen waren unbegründet. Ich kann nicht-essen, aber weiterleben, mich anstrengen, einkaufen und für andere kochen, ohne, dass ich wirklich leide. Ich schlafe viel, bin manchmal in einem Slow-Motion-Modus unterwegs. Aber ich finde Gefallen daran. Genieße die Entschleunigung, die ich mir schon so oft vorgenommen habe, die mir jetzt aber von meinem Körper diktiert wird.

Und ich genieße die vielen anderen Teilnehmer:innen, ihre Art von sich zu berichten, offen, herzlich und wertschätzend mit allen anderen. Irgendwie sind wir auf sehr schnelle Art und Weise miteinander verbunden, vielleicht, weil es eine Art von „Extrem-Erfahrung“ ist? Man seine Kraft auf essenzielle Dinge richten muss, haushalten mit den Reserven? Niemand richtet, wertet oder diktiert. Heiderose Stumm führt gelassen und freundlich, Madeleine Busch bereichert mit ärztlichem Wissen und den Hinweisen, wie man mit Brühe und Glaubersalzen durch die Fastenwoche kommt.

Und ich sitze da, lass mich anstecken und finde Gefallen daran, dass ich mir und meinem Körper etwas Gutes tun kann. Entgifte, konzentriere mich auf andere Dinge und bemerke mit Freude, wie unwichtig Nahrungsaufnahme sein kann. Regale voller Produkte, die ich nicht mehr brauche. Fühlt sich fast nach Freiheit an. Und auch ein mit Wasser gestreckter Tomatensaft ist plötzlich ein echter Genuss. Ich lerne Demut und mich mit wenig zufrieden zu geben. Ein Sonnenaufgang ist plötzlich wichtiger als das Früstück.

Aus den sieben Tagen wurden tatsächlich neun. Ich lebe noch, es war eine großartige Erfahrung und ich werde es wieder tun. Vielleicht schon im Mai oder Juni, bevor ich mich mit einem dicken Bauch an den Strand legen muss. Aber ganz sicher im nächsten Jahr, mit zweimal Christine, Heiderose, Christian, Madeleine, Jörg, Marion, Alex, Gertrut, Waltraud, Eva oder all den anderen, die neugierig und mutig genug sind, mal etwas ganz Neues zu wagen. Verzicht kann eine großartige Erfahrung sein.



Zurück
Katja Buchwald